Am 24.07.2021 wurde der Täter Marius wegen sexueller Übergriffe in mehreren Fällen mit einem Instagram Post von Rote Einheit öffentlich geoutet. Dieses Outing haben wir zusammen ausgearbeitet, weil der Täter sich auch in unserem Umfeld und der Stadt Duisburg bewegt hat. Mit diesem Beitrag nehmen wir Bezug auf das Outing und wollen das Thema aus unserer Sicht schildern. Wir sehen das Thema als einen stetigen Prozess an, in dem wir uns mit gemachten Erfahrungen, Wissen aus den Bildungsveranstaltungen und Diskussionen entwickeln. Dabei ist uns wichtig zu betonen, dass dieser Beitrag natürlich nur einen Teil unserer Aufarbeitung darstellt.
Prozess des Outings mit Rote Einheit
Marius outete sich selbst als Täter erst bei Rote Einheit, nachdem er sich gegenüber einer Frau sexuell übergriffig verhalten hatte. Die GenossInnen reagierten sehr schnell und er bekam die ersten Konsequenzen und Maßnahmen. Danach kam er auf einen Genossen vom Offenen Antifa Treffen Duisburg zu und suchte das Gespräch. Marius war mit dem Vorgehen und den Maßnahmen von Rote Einheit nicht einverstanden und suchte Unterstützung, damit die Maßnahmen etwas gelockert werden. Im Gespräch kam heraus, dass er eine weitere organisierte Person aus einer Düsseldorfer Struktur aus dem selben Grund kontaktiert hatte.
Diese Information wurde an die Frauen* und FLINTA Personen von OAT weitergeleitet. Diese trafen sich, um den Fall zu besprechen, das Vorgehen festzulegen und die Konsequenzen unsererseits festzulegen. Diese wurden in das Offenen Antifa Treffen reingetragen, Maßnahmen gegen Marius von allen beschlossen und Verantwortliche für den Fall festgelegt. Direkt am nächsten Tag trafen sich die Verantwortlichen mit Marius, um ihn von allen Treffen, Veranstaltungen, Aktionen und Komminikationsstrukturen des Offenen Antifa Treffens auszuschließen.
Im nächsten Schritt begann der Prozess der Aufarbeitung mit Rote Einheit, bei dem wir zusammen eine Kommission auf die Beine gestellt haben, um weitere Fälle aufzudecken, die Kontakte von Marius im Rheinland und Ruhrgebiet zu überprüfen und großflächig Recherchearbeit zu betreiben, um weitere Fälle aufzudecken. Das Ergebnis war erschreckend und es wurde schnell klar, dass er systematisch über einen langen Zeitraum Frauen sexuell belästigt hat. Die Kommission beschloss Marius nach etwa 2 Monaten Recherchearbeit öffentlich zu outen, um andere Gruppen und Einzelpersonen vor ihm zu warnen. Das ist ein wichtiger und notwendiger Schritt gewesen, auch wenn innerhalb der deutschen Linken relativ wenige Täter öffentlich mit Namen und Bild geoutet werden.
Die Warnung vor dem Täter ist ein Schritt von Vielen. Wir sehen die Notwendigkeit uns als AntifaschistInnen mit diesem Thema nach wie vor zu beschäftigen und Bewusstsein zu schaffen, um präventiv zu arbeiten und vor allem strukturelle Maßnahmen zu treffen.
Zeitliche Einordnung seiner Aktivität im Umfeld von OAT und Verhältnis
Nach dem 1. Mai 2020 kam Marius zu einer Veranstaltung und nahm zum ersten Mal Kontakt zum OAT Duisburg auf. Etwa 1 Jahr lang war er im Umfeld vom Offenen Antifa Treffen, kam ab und zu zu den offenen Treffen und nahm an Veranstaltungen und Aktionen teil. Zudem hatte er regelmäßigen persönlichen Kontakt zu ein paar Aktivisten, die ebenfalls im Umfeld vom OAT waren.
Verhalten bei Treffen und Veranstaltungen
Wir wollen nun auf das Verhalten von Marius eingehen, bei dem wir schon früh erste Anzeichen von Mackertum und Sexismus erkannt haben. Dieser Teil ist für uns wichtig, um später daraus einige präventive Ansätze zu ziehen.
Marius hat viele und unnötige Wortmeldungen auf Veranstaltungen geäußert. Dabei hat er unnötig lange und vom Thema abschweifend geredet. Mit diesem Verhalten hat er viel Zeit und Raum in Anspruch genommen. Er sprach oft mit einer lauten und unangenehmen Stimme. Er hat Frauen* nicht ausreden lassen, hörte ihnen nicht zu und befolgte in der Regel ihre Anweisungen nicht.
Er hat sich in einer Männer-Clique mit Leuten aus dem Umfeld bewegt, die oft auf Veranstaltungen in anderen Städten mackerhaft aufgetreten sind und sich zudem unnötig und auf persönlicher Ebene mit der Polizei angelegt haben. Diese Verhaltensmuste hat er nach mehreren Gesprächen trotzdem weiter praktiziert.
Erster Vorfall
Er hat ein mal eine Genossin auf einem Treffen am Hintern gestreift, obwohl es genug Platz gab, sodass es nicht aus Versehen passieren konnte. Dieser Fall wurde von der Genossin zuerst nicht thematisiert. Nach dem Austausch mit Rote Einheit, bei dem mehrere solcher Vorfälle geschildert wurden, wurde der Genossin bewusst, dass Marius ein bestimmtes Muster verfolgt, um Frauen* an intimen Stellen zu berühren.
Zweiter Vorfall bei einer Antifa Kneipe
Er hat bei einer Antifa Kneipe im Sommer 2020 sexistische Musik abgespielt. Dazu hat er an dem Abend übermäßig Alkohol konsumiert. Daraufhin bekam er noch während der Veranstaltung Alkoholverbot. Gegen Ende des Abends widersetzte er sich und bediente sich selbst an der Theke an hartem Alkohol. Dabei nahm er eine halbe Flasche aus dem Kühlschrank für unterwegs mit. Der Aufforderung nach Kneipenende zu gehen kam er nicht nach. Daraufhin wurde er rausgeschmissen. Außerdem hat er sich einige Male sehr auffällig und verdächtig an der Kasse hinter der Theke verhalten. Jedoch können wir nicht beweisen, ob er Geld aus der Kasse gestohlen hat oder nicht.
Maßnahmen unsererseits in diesem Fall
Sein Mackerverhalten ist uns bereits nach seinem ersten OAT aufgefallen, sodass ein Gespräch direkt nach dem Treffen über sein Verhalten geführt wurde. Dabei hat er geäußert, dass er bei Rote Einheit organisiert sei und sein Verhalten vom „Fußball“ kommt. Doch später, während der Aufarbeitung des sexuellen Übergriffs, haben wir von Rote Einheit erfahren, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bei ihnen organisiert war.
Nach dem Vorfall bei der Antifa Kneipe wurde direkt am nächsten Tag ein Reflexions- und Maßnahmengespräch geführt. Er wurde mit seinem Verhalten konfrontiert. Die einzelnen Problempunkte wurden ihm deutlich und verständlich erklärt. Er bekam Alkoholverbot für 3 Monate in unseren Räumlichkeiten und weitere Maßnahmen waren regelmäßige Gespräche über sein Verhalten. Die Reflexionsgespräche zum Vorfall bei der Antifa Kneipe wurden in den 3 Monaten geführt. In dieser Zeit hat er sich an die Maßnahmen gehalten, zeigte sich etwas bemüht und nahm an zwei Veranstaltung zu kritischer Männlichkeit teil.
Einpaar strukturelle Elemente unserer Arbeit
Wir haben ein Treffen von Frauen* und FLINTA Personen innerhalb des Offenen Antifa Treffens als Strukturelement, bei dem solche Fälle zuerst besprochen, über Maßnahmen diskutiert, die Ergebnisse und der Diskussionstand in das Offene Antifa Treffen reingetragen werden.
Außerdem werden anlassbezogen Diskussions- und Bildungsveranstaltungen sowohl für Frauen* und FLINTA Personen als auch für Männer organisiert.
Kurze Bewertung der Ereignisse unsererseits
Die Gespräche mit Marius haben nicht dazu geführt, dass er sein Verhalten verbessert hat. Wir haben uns bemüht sofort und konsequent gegen seine geschilderten Verhaltensweisen vorzugehen. Der Fall wurde zuerst von Frauen* und FLINTA Personen besprochen und dann in das Offenen Antifa Treffen reingetragen, um die Maßnahmen gemeinsam zu beschließen.
In diesem Fall war uns Anfangs nicht bewusst, dass Marius in der Vergangenheit bereits in verschiedenen Städten viele Frauen sexuell belästigt hat. Erst im Gespräch mit Rote Einheit und in der Zeit der Aufarbeitung mit Rote Einheit wurde das Ausmaß seiner Taten bekannt. Selbstkritisch betrachtet hätten wir früher und spätestens nach dem Ersten Vorfall bei der Antifa Kneipe den Kontakt zu Rote Einheit aufnehmen müssen.
Für uns ist das kein abgeschlossenes Thema, denn wir sehen das Thema als einen ständigen Teil und Prozess unserer antifaschistischen Arbeit an. Wir versuchen die ersten Anzeichen und Signale von Mackertum und Sexismus im Alltag direkt und offensiv anzugehen und Strukturelemente zu entwickeln.
Wir haben uns vorgenommen weiterhin konsequent im Alltag gegen Macktertum und sexistische Verhaltensweisen vorzugehen und einen offenen Umgang mit dem Thema zu pflegen. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir den Prozess im Ganzen immer veröffentlichen.
Menschen, die sich sexistisch und wie Macker verhalten, müssen sich in unserer Gegenwart unwohl fühlen und mit ihrem Verhalten konfrontiert werden. Das ist für uns ein kollektiver Lernprozess, bei dem es darauf ankommt, dass sich die Betroffenen Unterstützung einholen und agieren und es keine Unbeteiligten gibt.
Jede Aussage oder Rechtfertigung eines solchen Verhaltens muss ebenso offensiv und direkt angegangen werden.
Diesen Lern- und Entwicklungsprozess gestalten wir weiterhin offen auf den Treffen und in der alltäglichen politischen Arbeit.
Offenes Antifaschistisches Treffen Duisburg
14. August 2021